BVOC-Emissionen aus tropischen Wäldern
Tropische Regenwälder sind weltweit die größte Quelle für biogene flüchtige organische Verbindungen (BVOCs). BVOCs sind in der Atmosphäre sehr reaktiv und reagieren zum Beispiel mit Ozon. Durch diese Reaktionen können BVOCs die lokalen Ozonwerte beeinflussen und Partikel erzeugen, die wiederum die Wolkenbildung und den Niederschlag beeinflussen. Sie haben auch Auswirkungen auf die Lebensdauer von global relevanten Treibhausgasen wie Methan und Schadstoffen wie Kohlenmonoxid.
Bisher haben Forscher tropische Baumarten als die wichtigste Quelle für BVOC-Emissionen angesehen. Man geht davon aus, dass sie als direktes Ergebnis der Photosynthese entstehen, vor allem durch die Blätter des Kronendachs der Wälder. Wenn man jedoch im Regenwald genau hinsieht, kann man überall Flechten und Moose entdecken. Sie bedecken einen großen Teil der Fläche auf Baumstämmen, Lianen und in einigen Fällen sogar auf Blättern. Das ist auch in den Wäldern um ATTO der Fall. Angesichts dieser großflächigen Bedeckung mit sogenannten Kryptogamen, zu denen Moose und Flechten gehören, fragten sich Achim Edtbauer und seine Kollegen, ob sie auch zur Emission von flüchtigen organischen Verbindungen in tropischen Regenwäldern beitragen.
Die Rolle der Kryptogamen
Frühere Studien haben gezeigt, dass Kryptogamen wichtig für das Mikroklima des Waldes sind. Darüber hinaus spielen sie eine Rolle im Nährstoffkreislauf und beeinflussen die allgemeine Gesundheit der Pflanze, auf der sie leben, und der sie umgebenden Pflanzen. Auch wenn Moose und Flechten wie kleine Organismen erscheinen, macht ihre schiere Fülle dies wieder wett. Sie binden jedes Jahr große Mengen an Kohlenstoff und tragen damit zu 7 % zur Kohlenstoffbindung der gesamten Landvegetation bei. Es ist auch bekannt, dass Kryptogamen Treibhausgase wie N2O emittieren, aber ihre VOC-Emissionen wurden bisher kaum untersucht, insbesondere in den Tropen.
Über einen Zeitraum von zwei Jahren (November 2016 – November 2018) haben Achim Edtbauer und sein Team die BVOC-Emissionen von zehn Moos- und zehn Flechtenarten gemessen. Sie konzentrierten sich auf Arten, die in der Umgebung des ATTO-Geländes häufig vorkommen und repräsentativ für amazonische Terra Firme-Wälder sind. Für die Messungen entfernten sie die Kryptogamen vorsichtig von der Baumrückseite und legten sie in kleine Glasküvetten. In eine gaben sie eine Probe eines gewöhnlichen Mooses (oder einer Flechte), die andere ließen sie leer. Dann pumpten sie Dschungelluft durch beide und beobachteten, wie die Moose und Flechten die Zusammensetzung der Luft im Vergleich zur leeren Küvette beeinflussten.
Überraschenderweise stellten sie fest, dass diese Arten erhebliche Mengen einer Art von flüchtigen organischen Verbindungen, den Sesquiterpenen, emittieren. Diese Verbindungen reagieren schnell mit Ozon und bilden sauerstoffhaltige Verbindungen und Partikel in der Luft. Insbesondere Sesquiterpene beeinflussen die Zusammensetzung der Atmosphäre und wirken sich unter anderem auf die Luftqualität, das Klima und Ökosystemprozesse aus.
Beeinflussen Moose und Flechten das Klima?
Wenn man die Häufigkeit der Kryptogamen berücksichtigt, erreichen ihre kombinierten Emissionen ähnliche Werte wie die der Bäume. Hochgerechnet auf die globale Fläche der tropischen Regenwälder tragen Flechten und insbesondere Moose erheblich zu den globalen Sesquiterpenemissionen bei. Bisher haben die Atmosphären- und Klimamodelle Moose und Flechten bei ihren Berechnungen und Vorhersagen jedoch außer Acht gelassen.
Die Studie brachte noch eine weitere Entdeckung ans Licht. Moose und insbesondere Flechten nehmen oxidierte Verbindungen aus der Luft auf. Sie tun dies mit einer Geschwindigkeit, die mit der Geschwindigkeit vergleichbar ist, mit der diese oxidierten Verbindungen durch Reaktionen mit Radikalen aus der Luft entfernt werden. Sie „verzerren“ also das Mischungsverhältnis der vom Wald produzierten Chemikalien. Interessanterweise nehmen die Flechten und Moose jedoch nicht die von den Bäumen direkt emittierten Verbindungen auf. Stattdessen lassen sie zu, dass die Emissionen in der Atmosphäre oxidiert werden, bevor sie aufgenommen werden.
In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler den Austausch von BVOCs durch Moose und Flechten unter kontrollierten Laborbedingungen messen. Nur so lässt sich herausfinden, wie sich Temperatur, Licht und Feuchtigkeit auf die Emissionen auswirken, und es kann nach weiteren Variablen gesucht werden, die den Austausch steuern. Mit diesem Wissen können die Wissenschaftler dann diese kryptogamen Emissionen in Atmosphären- und Klimamodelle integrieren. Dies kann beispielsweise dazu beitragen, die Auswirkungen von Dürre auf den Regenwald genauer darzustellen.
Achim Edtbauer et al. veröffentlichten die Studie „Cryptogamic organisms are a substantial source and sink for volatile organic compounds in the Amazon region“ Open Access in der Zeitschrift Nature Earth and Environment.
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